Projektdetails

"Zum Wandel von Landschaftsbildern und kulturellen Ökosystemleistungen seit Ende des 19.Jahrhunderts im suburbanen Raum Göttingens" Projekt CI.3 im Graduiertenkolleg Interdisziplinäre Umweltgeschichte

von Juli 2010 bis Juni 2013

Projektbeteiligte

Leitung: Prof. Dr. Renate Bürger-Arndt

Bearbeitung/Kontakt: Linda Szücs

Förderer: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Stichworte

Landschaftswandel, Landschaftsästhetik, Landschaftsvisualisierung, Landschaftsbildbewertung

Projektbeschreibung

Zusammenfassung

In den letzten 200 Jahren hat sich die Landschaft im Stadtgebiet von Göttingen drastisch verändert. Mit diesem Landschaftswandel gehen Veränderungen von Biodiversitätsmerkmalen, Nutzungspotentialen für den Menschen, und wahrnehmbaren Erscheinungsformen (wahrnehmbarer Landschaftsgestalt) einher. Dieser letzte Themenbereich wird im Projekt C I.3 im Graduiertenkolleg Interdisziplinäre Umweltgeschichte bearbeitet. Das Projekt befasst sich mit der visuellen Darstellung (Rekonstruktion) des Landschaftswandels seit Ende des 18. Jahrhunderts und dessen ästhetischer Wahrnehmung (Rezeption) und Wertung aus heutiger Sicht. Untersuchungsraum ist das heutige Gemeindegebiet von Göttingen. Die umweltgeschichtliche Relevanz der Arbeit ergibt sich aus der Gegenüberstellung und Verlinkung der beiden Aspekte der Rekonstruktion und der Rezeption von früheren Landschaftszuständen als Untermauerung einer möglichst konsistenten Leitbildfindung.

1.Einführung

Die Wurzeln des Naturschutzgedankens in Deutschland liegen im Schutz und Erhalt von weitgehend durch natürliche Elemente geprägten Landschaftsbildern nach dem Vorbild vorindustrieller Kulturlandschaften. In §1 BNatSchG wird auch heute noch die „Nachhaltige Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft“ als wichtiges Ziel benannt (Bundesnaturschutzgesetz 2010). Obwohl hier drei landschaftsästhetisch relevante Aspekte benannt werden, ist der Naturschutz seit vielen Jahrzehnten fast ausschließlich ökologisch orientiert. Der Auftrag, die Schönheit von Natur und Landschaft für den Menschen zu erhalten und zu gestalten ist völlig in den Hintergrund gerückt. Eine Ursache hierfür ist, dass es bis heute kein konsistentes, allgemein anerkanntes landschaftsästhetisches Konzept gibt, das diese Begriffe operationalisierbar macht und einen praktikablen Wertungsrahmen zu deren Beurteilung liefert.
Das Projektvorhaben will deswegen einen Beitrag leisten sowohl für die Erforschung von Landschaftswandel und dessen Wahrnehmung und Wertung als auch zur weiteren Ausgestaltung einer naturschutzbezogenen, anwendungsorientierten Theorie der Landschaftsästhetik.

2. Zielsetzung

Das Vorhaben baut auf vorausgegangene Studien zu Landnutzungswandel, Biodiversität und Landschaftsfunktionen im heutigen Gemeindegebiet von Göttingen auf, in deren Verlauf ein umfassendes Geographisches Informationssystem (GIS) für die Zeitschnitte 1784, 1878, 1910, 1965, 2002 aufgebaut worden ist. Es geht drei interdisziplinären Themenbereichen nach, um folgende Fragen zu beantworten:

Landschaftsvisualisierung: Welche Landschaftsbilder existierten im Untersuchungsgebiet zu den analysierten Zeitschnitten? Wie eignet sich die digitale 3D-Visualisierung zur naturgetreuen Darstellung von Landschaftsbildern, Landschaftswandel und des Urbanisierungsprozesses im Stadtgebiet von Göttingen?

Landschaftsästhetik: Welche Bild- und Wert bestimmenden Landschaftselemente,- Strukturen,- und Dimensionen haben sich geändert und bewirken eine unterschiedliche Beurteilung der betreffenden Landschaftszustände aus heutiger Sicht? Ist die heutige Landschaft im Vergleich zur historischen die „hässliche“ Landschaft, und wenn ja, warum?

Naturschutz: Welche Verbindungen lassen sich herstellen zwischen Landnutzung (Art, Intensität, Diversität, Dimensionierung usw.), Biodiversität (Arten-, Struktur- und Biotopvielfalt), Landschaftsfunktionen (v.a. Produktion und Regulation) und Landschaftsbild (Natürlichkeit, Vielfalt, Eigenart, u.a.), auf deren Grundlage sich eine umfassend konsistente und zukunftsweisende Schutzkonzeption aufbauen ließe?


3.Methoden

Landschaftsvisualisierung:
Durch einen multiplen Zugang mit planungs- und geschichtswissenschaftlichen Methoden wird eine möglichst wahrheitsgetreue Visualisierung der Landschaft in der Stadt Göttingen in den fünf Zeitschnitten (1784, 1878, 1910, 1965, 2002) angestrebt. Die Visualisierung wird mit der Software Visual Nature Studio 3.00 hergestellt. Als Datengrundlage dienen die von den Vorprojekten (Preutenborbeck 2009) bearbeiteten Landnutzungsdaten in ArcGIS 9.0. Als weitere Quellen werden Digitale Geländemodelle, Luftbilder, Orthofotos, historische Karten-, (Agrarstrukturkarten) und alte Bildmaterialien benutzt. Für ungefähr 2 km2 große Fallstudien im Offenland- Wald- und Stadtrandbereich (z.B. Kerstlingeröderfeld, Hainberg) werden Landnutzungswandel bzw. Urbanisierungsprozesse zeitschnittweise aus der Vogelperspektive visualisiert.

Landschaftsbildbewertung
Anhand von naturgetreuen Rekonstruktionen bzw. Fotos von landschaftlichen Szenen aus diesen Testgebieten zu verschiedenen Zeitschnitten werden verschiedene Akteursgruppen (Ortsansässige, Touristen, Experten, Planer) gezielt und nach ihren visuellen Eindrücken und deren Bewertung befragt. Das Ergebnis dieser Bewertung wird – differenziert nach den normativ vorgegebenen Hauptkriterien (Natürlichkeit, Vielfalt, Eigenart) und gegebenenfalls nach weiteren, aus vorliegenden Veröffentlichungen zur Landschaftswahrnehmung ableitbaren wert bestimmenden Kriterien im GIS dargestellt. Die Verschneidung mit den vorliegenden raumbezogenen Informationen zu Geländemorphologie, Landnutzungs- und Biotoptypen, sowie Landschaftsfunktionen bietet ein breites Feld für die weitergehende Analyse und Interpretation.

Landschaftsästhetische Analyse
Die abgefragten, verbalisierten visuellen Eindrücke werden weiter im Hinblick auf ihre unterschiedlichen ästhetischen Erkenntnisdimensionen (Bürger-Arndt & Reeh 2006, Wöbse 2002) untersucht, um zu klären, ob und wie stark diese die Menschen in ihrer Landschaftswahrnehmung beeinflussen bzw. welche Rolle für sie die Gestalt einer Landschaft spielt. Diese hinsichtlich der Zahl der Aussagen relativ eng begrenzte Analyse wird ergänzt durch eine entsprechende Literaturauswertung von Veröffentlichungen zur Landschaftswahrnehmung.


Literatur:

BUNDESNATURSCHUTZGESETZ(2010):www. bundesrechtjuris.de/bnatschg_2009/ (21.01.2011)

BÜRGER-ARNDT, R.; REEH, T. (2006): Landschaftsästhetik - Theoretische Grundlagen. In: KONOLD, W., BÖCKER, R., HAMPICKE, U. (Hrsg.): Handbuch Naturschutz und Landschaftspflege. 19. Ergänzungslieferung 7/06, VI-3, S. 1-19, ecomed, Landsberg.

PREUTENBORBECK, J. (2009): Zur Wirkung historischer Landnutzungsmuster auf Artenvielfalt und Lebensgemeinschaften, eine exemplarische GIS-gestützte Analyse von Landnutzungswandel und Biodiversität der Kulturlandschaft im Naturraum Göttinger Wald, Georg-August Universität Göttingen.

WÖBSE, H. (2002): Landschaftsästhetik – Über das Wesen, die Bedeutung und den Umgang mit landschaftlicher Schönheit. – Ulmer, Stuttgart.

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Links zu weiteren Informationen

» Graduiertenkolleg Interdisziplinäre Umweltgeschichte

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